Samstag, März 31, 2007

Diamantenminen in Barcelona

Übersetzung des Artikels aus 'La Vanguardia' vom 26.03.2007 von Xavi Ayén in der Sparte Kultur


Eine Reise durch die Kultur, die mit der Emigration kommt >> Die Afrikaner

Literatur, Musik und Kunst aus Schwarzafrika versuchen eine eigene Stimme im katalanischen Kulturpanorama zu erlangen

Achtung, Frage: Wie könnte sich ein Emigrant aus einem Land südlich der Sahara, der nach Spanien kommt um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sein Leben noch komplizierter gestalten? Nun, zum Beispiel, indem er einen Verlag gründet mit allem was dazugehört: Autoren auswählen, einen guten Vertrieb bewerkstelligen, Steuern zahlen, sich verschulden... Das hat der Senegalese Sidi Seck gemacht, ein lächelnder und gebildeter Mann in Schlips und Kragen. Während wir in La Central del Raval frühstücken, berichtet er uns von seinem Abenteuer, das mit Stereotypen bricht: "Vor acht Jahren kam ich nach Granada, aber im Jahr 2000, mit dem Gewinn des Poesiepreises 'Vil-la de Martorell' für mein Buch 'Las sombras en pos del Tamarindo', entdeckte ich Barcelona und entschied hierzubleiben. Es war die Verlagshauptstadt und die Idee, afrikanische Literatur zu fördern, hatte sich in mir festgesetzt. Im Jahr 2005 gründete ich Takusan, wo ich in spanisch und katalanisch Werke von zeitgenössischen afrikanischen Autoren veröffentliche, aber auch von Eingeborenen aus Australien und Nordamerika. Wir werden das Jahr 2007 mit einem Katalog von 20 Titeln schließen. Die großen Verlage haben eine Lücke gelassen."
Seck ist außerdem Autor von Gedichtbänden und Romanen. Sein letzter, 'Amina', ist vor kurzem in seinem eigenen Verlag erschienen (einige Monate vor der Veröffentlichung der Originalversion in französich) und es handelt sich um eine Geschichte über Frauen in einem Vorort von Dakar, die den Konflikt widerspiegelt zwischen "den Personen, die die traditionelle Kultur erlebt haben und den jungen Frauen von heute, die Richtung Westen schauen. Ich wollte zeigen, wie unter ein und demselben Dach parallele Welten miteinander leben: der Großvater, welcher aus der Ära der Könige stammt, der Vater, der Beamter in der Kolonialverwaltung war und die Tochter, welche ein unabhängiges Land kennengelernt hat. In Europa existieren generationsbedingte Unterschiede, aber weniger stark, nicht so gewaltig." Als Verleger zeigt sich Seck voller Hoffnung, dass "ich in einigen Jahren nicht mehr Bücher im Ausland einkaufen muss, denn die zweite Generation der afrikanischen Emigranten wird ihre eigene Literatur kreieren, die Barcelona mit anderen Augen sieht, so wie es schon in Paris oder London geschieht."
Die Flamme der afrikanischen Erzählungen wird durch kleine unabhängige Firmen am Leben erhalten wie Zanzíbar, Cobre, Alpha Decay oder die aktive Mundo Negro, Eigentum einiger Comboni-Missonare mit Sitz im Stadtteil Horta. Josep Maria Sarabia, Buchhändler von La Ploma und seit 1991 spezialisiert auf afrikanische Autoren, berichtet, dass sogar ein Nobelpreisträger wie der Nigerianer Wole Soyinka "viele seiner Bücher nicht mehr gelistet hat oder dass sie noch nicht übersetzt sind." Er empfiehlt uns den Guineer Donato Ndongo, den Nigerianer Chinua Achebe oder den Kongolesen Emmanuel Dongala, und gesteht uns, dass sein Bestseller 'Leyendas africanas' (Olañeta) ist, ein Buch, in dem Tchicaya U Tam'si die kostbare Tradition der mündlichen Überlieferungen des Kontinents sammelt.
Eine weitere kulturelle Goldgrube aus Afrika stellt die Musik dar. Oriol Mestres, vom Laden Tokobongo en der Straße Tallers, erzählt uns, dass die Vorliebe der Leute aus Barcelona für die Perkussion "zu einer großen Nachfrage an Djembes aus Holz und Ziegenhaut führt, die wir aus Mali importieren." Der Ivorer N'Guessan Maurile Kouassi von der Gruppe Kavo Cheva - zusammengesetzt aus fünfzehn Leuten, alle von ihnen ehemalige Mitglieder des Nationalballetts aus Côte d'Ivoire - erklärt, dass "wir uns auf den Tanz Piura konzentrieren, welcher alle Phasen des bäuerlichen Lebens wiedergibt. Wir widmen viele Tänze den Frauen, vor allem unserer Mutter um die Courage derjenegen Person zu ehren, die uns das Leben geschenkt hat. Und jetzt verbinden wir unsere Musik mit dem Flamenco."
Auf filmtechnischem Gebiet wurden vor kurzem die Dreharbeiten der ersten spanisch-senegalesischen Co-produktion abgeschlossen, der Dokumentarfilm 'Nosaltres' von Mousa Touré über die Integration einer Gruppe von Maliern in Sant Feliu de Codienes. "Es ist die Geschichte zweier Gemeinschaften, eine malisch und die andere katalanisch, die seit acht Jahren zusammen leben ohne je miteinander zu kommunizieren, zwei Gemeinschaften die sich wie Schatten begegnen", erklären die Produzenten.
Die Guineerin Remei Sipi von der Frauenvereinigung E'Waiso organisiert Tänze der Volksgruppe der Bubi, Ausstellungen, Märchenstunden und Theaterstücke. Im Fall der Guineer - der ehemaligen spanischen Kolonie - sind die Veranstaltungen sehr wichtig, welche die historische Erinnerung fördern, weil "im Gegensatz dazu wie Frankreich mit Algerien umgeht, hat man hier dieses Thema vergessen." Sipi ist Autorin verschiedener Essays über die Einwanderung und hat ein Band von Erzählungen zusammengestellt. Andere hervorragende guineische Künstler sind der Maler Guti Mamae oder das Musikduo Hijas del Sol (Tante Piruchi und ihre Nichte Paloma), die Sachen singen wie 'Afrika, Name einer Frau / geliebte Mutter, wach auf / erlöse deine Söhne von soviel Schmerz."