Montag, April 09, 2007

In Afrika kostet ein Buch zwei Kilo Reis

Übersetzung des Interviews aus 'La Razón' vom 31.03.2007 mit David Barba auf der Rückseite der Zeitung

Sidi Seck / Afrikanischer Verleger und Dichter

In 20 Zeilen
Inmitten der 12 Arbeiten des Herkules, wie hat man da vergessen die des Verlegers hinzuzufügen? Was es heißt seinen eigenen Verlag zu führen, weiß der Senegalese Sidi Seck (Kaolack, Senegal, 1967) nur zu gut. Er hat sich bis über beide Ohren verschuldet um Takusan Ediciones voranzubringen. Ohne institutionelle Hilfen, ohne Stifter und ohne staatliche Subventionen veröffentlicht er auf spanisch (und katalan) schwarze Schriftsteller sowie Eingeborene kanadischer oder australischer Herkunft. Der ausgewählte Katalog seiner Bücher macht aus ihm einen der kühnsten unabhängigen Verleger im Literaturpanorama Spaniens. Zu allem Übermaß ist er auch noch ein glaubwürdiger Dichter.

-Ein afrikanischer Verleger in Spanien. Es muss höllisch schwierig sein!
Es macht mir nichts aus: Ich mag Bücher. Und ich habe all meine finanziellen Reserven und all meine Kraft hineingesteckt um meinen eigenen Verlag voranzubringen. Ich bin bis über beide Ohren verschuldet, aber ich werde bald zwanzig gute Titel veröffentlicht haben.
-Ihre Landsmänner würden sich damit begnügen ein Internet/Telefon-Kiosk zu eröffnen.
Ich weiß, dass es gewagt ist: Takusan Ediciones ist auf die Übersetzung afrikanischer Autoren, amerikanischer und australischer Eingeborener ins Spanische und Katalanische spezialisiert. Wissen Sie warum ich das mache? Ich glaube, dass es ein Weg ist um zu erreichen, dass wir uns verstehen.
-Die Spanier sollen Afrika versehen? Undenkbar!
Sie haben eine Tugend: Zum Glück sind sie keine Rassisten. Dennoch: Die Spanier sind ignorant gegenüber Afrika. Und genau an diesem Punkt setzen Initiativen wie die meine an.
-Sprechen wir über Ihre Kultur.
Zuerst werde ich Ihnen sagen, dass es in Afrika immer schon eine starke mündliche Literatur gegeben hat. Es gibt sogar eine Kaste, die Griots, welche Sprechgesänge aus Märchen und Erzählungen zusammenstellen und so das afrikanische Kulturgut schützen.
-Also sind sie ein Griot?
Ich denke, dass meine Arbeit ein wenig wie die der Griots ist. Aber der größte Sammler afrikanischer Geschichten war der Gelehrte, Dichter und Schriftsteller Amadou Hampaté Ba. Er verkörpert die orale Tadition wie kein anderer. Er hat die Hinterlassenschaften der Peul-Hirten zusammengetragen und wunderbare Bücher geschrieben. "Stirbt in Afrika ein alter Mensch, verbrennt eine ganze Bibliothek.", pflegte er zu sagen.
-Donnerwetter! Den möchte ich lesen.
Das können Sie nicht. Wenigstens nicht auf Spanisch: Fast nichts von Hampaté ist übersetzt. Verstehen Sie jetzt, warum ich Takusan gegründet habe? Das gleiche geschieht mit anderen entscheidenden afrikanischen Autoren.
-Können Sie uns diesen Eurozentrismus näher erklären?
Ihnen würde Léopold Sedar Senghor gefallen, einer unserer größten Dichter. In den 30er Jahren prägte er das Konzept der Negritude, zusammen mit Aimé Césaire und dem Guayaner Léon Gontran Damas. Es war eine Dichterbewegung für die afrikanische Identität.
-Geben Sie mir mehr Namen.
Später haben andere Schriftsteller die Negritude kritisiert. Der Nobelpreisträger Wole Soyinka sagte: "Der Tiger deklariert auch nicht seine Tigritude. Er springt seine Beute an und verschlingt sie." Auf jeden Fall konnte so gezeigt werden, dass Afrika nicht nur ein Synonym für Hunger und Katastrophen ist.
-Verkörpern Sie den typischen Afrikaner?
Der schwarze Afrikaner, der ich bin, lebt nicht mehr im Kolonialumfeld. Meine Realität ist die Gegenwart. Und dies ist ein sehr schwieriger Moment für Afrika. Ich höre niemals auf mich für das Schicksals meines Kontinents zu interessieren, aber ich lebe in Europa und es erscheint mir viel sinnvoller meine Kultur zu exportieren.
-Wird der Tag kommen an dem Afrika ein lesender Kontinent ist?
Das hoffe ich. Es würde mich freuen, wenn eines Tages Bücher für Afrikaner so zugänglich wären wie für Europäer. Zur Zeit ist es sehr schwierig in Afrika zu lesen: Ein Buch kostet soviel wie zwei Kilo Reis.
-Ihnen fehlte es nicht an Reis, sondern an Büchern.
Ich bin nach Paris ausgewandert um dort zu studieren. Später wurde ich eingeladen an der Universität von Granada zu arbeiten. Im Jahr 2000 habe ich in Katalonien einen Poesiepreis gewonnen und bin nach Barcelona umgezogen. Hier habe ich angefangen die Verlagswelt kennenzulernen. Und ich habe mich gründlich damit beschäftigt.
-Ich möchte mich näher mit Afrika vertraut machen. Empfehlen Sie mir ein Buch.
Ich empfehle Ihnen "Una carta molt llarga" (es wurde auf spanisch veröffentlicht: "Mi carta más larga", Verlag Zanzíbar)*. Darin beschreibt Mariama Ba die Lebensbedingungen der afrikanischen Frau.
-Und Sie schreiben auch über Afrika?
Na klar! Lesen Sie "Amina", meinen Roman: Es ist die Geschichte einer jungen afrikanischen Frau, ausgebildet "a la europea". Sie lebt bei ihrer Schwester, erzogen "a la africana". Und mittendrin erscheint die Hausangestellte, welche zwischen beiden Welten lebt. Sie werden sich eine Vorstellung von meiner Kultur machen können. Und außerdem garantiere ich Ihnen einen guten Schmöker.

*Anmerkung der Übersetzerin: Das Buch ist auch auf Deutsch erschienen: "Ein so langer Brief"