Sonntag, November 18, 2007

Streifzug durch das spanische Gesundheitssystem

Bis Mittwoch war ich mit dem spanischen Gesundheitssystem ganz zufrieden, fühlte mich ausreichend und recht fachmännisch betreut. Mittwoch Vormittag hat diese Meinung einen gehörigen Dämpfer erlitten!

Zum Einstieg: In Spanien gibt es eine gesetzliche Sozialversicherung mit nur einer staatlichen Krankenversicherung, die sogenannte Seguridad Social. Ist man Arbeitnehmer, Freiberufler oder Selbstständiger, zahlt man Beiträge. Ist man arbeitslos, krank, erwerbsunfähig, schwanger oder Rentner, erhält man Leistungen. Auch wer gar nicht registriert ist (Ausländer), hat immer Anspruch auf medizinische Grundversorgung. Über die Seguridad Social wird das komplette spanische Sozialsystem geregelt, ähnlich dem in der ehemaligen DDR. Alles wird in einen Topf eingezahlt, und aus diesem werden auch alle Ausgaben bestritten: Krankengeld, Kindergeld, Arbeitslosengeld, Rente, Sozialhilfe, ...

Speziell zum Gesundheitssystem: Es besteht Versicherungspflicht und man erhält eine Sozialversicherungsnummer, die ein Leben lang gültig ist. Außerdem erhält man im Gesundheitszentrum seines Stadtviertels eine Krankenversichertenkarte und bekommt dort auch einen Hausarzt zugewiesen. Jedes Wehwehchen muss nun zuerst dem Hausarzt vorgestellt werden, der einen dann, wenn notwendig, zum Spezialisten überweist, der normalerweise auch im Gesundheitszentrum ansässig ist. Bei Arztbesuchen ist immer ausreichend Wartezeit mitzubringen (... und ein gutes Buch), denn die Termine werden im 6-min-Takt vergeben. Manchmal dauert es ja wirklich nicht länger... Für das komplette Gesundheitszentrum gibt es eine zentralisierte "Theke", an der neue Termine gemacht werden, Überweisungen ausgestellt und Einweisungen ins Krankenhaus geschrieben werden. Immer schön mit Nummer ziehen und anstellen. So wie ich das kenne aus Spanien!

Und wie ist das jetzt mit den Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft? Bin ich ausreichend versorgt? Ich denke schon. Zumal bis jetzt zum Glück alles komplikationslos verlief. Jede schwangere Frau hat pro Trimester Anrecht auf eine Blutuntersuchung und einen Ultraschall. Hinzu kommen monatliche Termine bei Gynäkologe oder Hebamme zur Kontrolle von Gewicht, Puls usw. Bald kommt dann auch noch der Geburtsvorbereitungskurs dazu.

Meine erste Blutabnahme war ein kleiner Schock. Früh um halb neun habe ich mich mit ca. 20 bis 30 weiteren Personen in meinem Gesundheitszentrum eingefunden - auf nüchternen Magen. Wir wurden nach Namen aufgerufen und mussten unseren Zettel abgeben, auf dem stand, welche Analysen zu machen seien. Witzig ist es mit anzusehen, wie distinguierte Großmütter ihren mitgebrachten Urin, sauber abgefüllt in Röhrchen, dezent aus einer Prada-Papiertüte hervorzaubern :) Danach ging es eins fix drei in eine von vier Boxen - diese sind für die übrigen Wartenden einsehbar! Lautstarkes Aufregen, warum mein Arm noch nicht freigemacht war, abbinden am Oberarm mit einem normalen Gummiband und Knoten (Wusste gar nicht, dass es sowas noch gibt!) und der Rest dürfte ja bekannt sein. Sogleich wird man wieder hinausgescheucht, damit die Fließbandarbeit weitergehen kann. Immer nur schnell, schnell. Als Außenstehende diese Szene betrachtend, kommt es mir vor, als ob eine Gruppe von rosa Schweinchen auf ihr Rendezvous mit der Schlachtbank wartet, nur dass keines quiekt!

Und warum bin ich plötzlich unzufrieden? Weil diese Krankenschwestern einfach unfähig sind vernünftig Blut abzunehmen! Mittwoch musste ich mal wieder in ein anderes Gesundheitszentrum zum Blut abnehmen, weil dieses viel größer ist und dort mehr Tests möglich sind. Warum sollten sie auch das abgenommene Blut gesammelt dorthin transportieren, wenn sich jeder kranke Bürger prima zu Fuß dort hinbegeben kann??? Gar kein Problem im 6. Monat, ein Spaziergang! Zuerst musste ich ziemlich ekligen Glukosesirup trinken: kalt, auf nüchternen Magen, mit künstlichem Orangengeschmack. Ich weiß bis heute nicht genau, wofür das gut war. Dann warten, warten, minutenlanges Warten. Wie lange braucht denn Glukose, um ins Blut zu gelangen? Nach 90 min! durfte ich endlich in eine von den Boxen. Mein Arm war natürlich schon freigemacht! Ich wollte auf morgendlichen Anschiss verzichten. Abbinden, vergessen zu desinfizieren, Blut abnehmen, rausschicken. Ich habe ordentlich auf die Einstichstelle gedrückt, wie man es ja machen soll. Nach drei Minuten habe ich mich dann erdreistet nach einen Pflaster zu fragen. "Gibt es nicht! Weiter drücken!" Außerdem habe ich wohl eine falsche Vokabel verwendet. So hatte ich ihn doch, meinen morgendlichen Anschiss. Und genau wegen dieser Prozedur, wegen dieser "Freundlichkeit", wegen dieser Menschlichkeit bin ich gerade gar nicht mehr zufrieden mit dem spanischen Gesundheitssystem. Mal schauen, was mich im März im Krankenhaus erwartet!?