Dienstag, September 05, 2006

Salz in den Augen und Tränen auf der Haut

Jeder weiß Bescheid und hat davon gehört, doch keiner möchte darüber reden oder diskutieren. Die deutsche Presse bemüht sich nur, wenn es Tote gibt, wenn Fischer statt Krabben Leichen aus dem Wasser ziehen. Die spanische Presse ist jeden Tag voller neuer Hiobsbotschaften. Afrikanische Immigranten. Seit Beginn des Jahres sind mehr als 12.000 Personen an Spaniens Küsten gelandet, vorrangig auf den Kanarischen Inseln - dem südlichsten Zipfel Europas. Manchmal kommen täglich über 300 neue Personen - letztes Wochenende innerhalb von 36 Stunden 1100 Menschen; Männer, Frauen, Kinder - und enden erstmal in Auffanglagern - Zwischenstation mit einer Nummer am Arm. Am hellscheinenden Nachmittag landen einfache Holzboote an touristenbevölkerten Stränden Teneriffas. Badegäste helfen den völlig Ausgehungerten aus ihrem Boot und versorgen sie mit Wasser...

Seit Anfang August soll es Patrouillen geben, doch nie roch die Luft des Atlantiks mehr nach Verzeiflung als dieser Tage. Per Schiff und Flugzeug will man Ausschau halten nach den Leuten aus Mali, Senegal, Ghambia, Elfenbeinküste, die sich immer öfter auf die gefährliche Reise begeben. Und dann? Sollen sie ihren Drahtseilakt zwischen Selbstmord und vielversprechender glänzender Zukunft auf halber Strecke unterbrechen? Umkehren? Die Familie wird sie als Gescheiterte nicht gerade mit offenen Armen empfangen. War man doch froh einen Esser weniger versorgen zu müssen.

Welches Bild vermittelt Europa in Afrika? Liegt bei uns wirklich das Geld auf der Straße? Vielleicht sollte ich heute mal ohne Sonnenbrille aus dem Haus gehen, damit ich es auch sehe... Statt dessen schlug mir heut morgen auf dem Weg zur Post der schweißgeschwängerte Geruch eines jungen Mannes entgegen, weiß, der auf der Parkbank genächtigt hatte. Auch das ist Europa!