Donnerstag, Mai 17, 2007

Rufisque

Vierzig Autominuten von Dakar entfernt und ebenfalls an der Küste gelegen befindet sich Rufisque. Hier wohnen Sidis Eltern zusammen mit einem Cousin und dessen Familie in einem Haus. Das Viertel, in dem das Haus steht, befindet sich etwas außerhalb und sieht aus wie gerade aus dem Boden gestampft. Nackte halbfertig anmutende Betonbauten geben der gesamten Umgebung etwas Vorläufiges, Temporäres. Zwischendrin finden sich wenige gestrichene Häuser und immer wieder abgesteckte Grundstücke, für die zukünftigen Bauherren.

Senegal ist größer als gedacht und es bleiben noch viele Städte zu erkunden!

Interessant beim Hausbau ist, dass die Steine vor Ort angefertigt werden und nicht auf langen Wegen mit dem Laster zur Baustelle geschafft werden müssen. Die Leute rühren ein Zementgemisch an, füllen es in eine Form, umdrehen, Form abziehen (wie im Sandkasten) und den Stein in der Sonne trocknen lassen. Am nächsten Tag kann er verbaut werden.

Verlässt man die Hauptstraße des Viertels, kommt man nur noch auf Sandwegen vorwärts. Heller, feiner, staubiger Sand. Ein Allrad-Jeep wäre empfehlenswert, bevorzugt werden jedoch Pferdetaxis als Fortbewegungsmittel.

Pferdetaxi in Rufisque

Sidi hatte mir von Senegals Stränden vorgeschwärmt: feinkörnig, weißsandig, wie in Malibu... Was wir in Rufisque sehen mussten, verschlug uns beiden den Atem: grauer Sand bedeckt mit grünen Algen, durchsetzt mit toten Quallen und übersät von Plastikmüll. Leicht fauliger Geruch und süßlicher Verwesungsgestank erreichte uns mit vereinzelten Windboen. Und in diesem Panorama spielten Kinder Fußball. Vor zwanzig Jahren hat Sidi an diesem Strand noch seine Uniskripten gelesen und Schülern Nachhilfe gegeben. Man hat die Gegend verkommen lassen statt sie touristisch zugänglich zu machen. Schade!! Wer tolle und gepflegte Strände will, der muss an die Petite Côte fahren. Dort gibt es sie.

Und an einem dieser Strände würden wir gern irgendwann ein Haus kaufen, naja, eigentlich in absehbarer Zukunft. Grundstücke mit Meerblick, 200qm, sind für 15.000 Euro zu haben. Noch 20.000 Euro hinzu und man hat auch sein Haus gebaut. Das kann man gut an Einheimische oder besser noch Touristen vermieten und hat selbst auch eine Unterkunft für den nächsten Urlaub. Bei Verwandten unterzukommen ist natürlich toll, aber man muss sich jedesmal an den Rhythmus eines Hauses gewöhnen und wie Sidi vorausgesagt hatte: Man ist nie wirklich allein.

Müll ist, in meinen Augen, eines der größeren Probleme Senegals, besonders Kunststoffe und Plastik. Fluch und Segen eines Entwicklungslandes. Als leichtes Verpackungsmaterial bevorzugt verfangen sich schwarze und blaue benutzte Folientüten in Sträuchern und Bäumen, Dosen und Flaschen wirbeln am Straßenrand umher. Dieses Zeug verrottet auch in fünfzig Jahren nicht! Die Lösung wäre Biokunststoff, für ein afrikanisches Land jedoch unerschwinglich und noch zu unerprobt in der Massenproduktion. Als wir nach Barcelona zurückkamen war unser erster Ausruf: Wie grün und SAUBER ist Spanien! Wer Barcelonas Straßen kennt...

Was fällt mir noch zu Rufisque ein... Es war der einzige Ort, an dem mir eine Schar Kinder hinterhergerannt ist: "Bonsoir Madame!" Eines lächelte strahlender als das andere, ältere Geschwister nahmen jüngere an die Hand und schubsten sie vor. Nachdem ich der ganzen
Gruppe die Hand gegeben hatte mit zahlreichen "Merci" und "Jerajef" (Wolof: Danke) dazu, sind sie laut lachend und rufend davongerannt.

Eine andere Kuriosität. Ich habe viele Wohnzimmer gesehen, der wahrscheinlich größte und prunkvollste Raum im gesamten Haus. Hier werden die Gäste empfangen. Meist befinden sich an allen vier Wänden riesige Sofas; aus Leder, wenn es der Status zulässt. Zweisitzer, Dreisitzer oder einzelne Sessel, so dass bequem Platz für bis zu zehn Personen ist. Werden es mehr, setzt sich der Rest in die Mitte auf den Teppich. Vorher Schuhe ausziehen nicht vergessen! Und auf den Arm- und Rückenlehnen dieser Sofas und Sessel liegen Häkeldeckchen in weiß oder beige. Zur Zierde, als Schmuck. Es sieht seltsam aus und man ist die meiste Zeit damit beschäftigt, diese Deckchen wieder an ihren
angestammten Platz zu beordern, oder die Arme nicht auf die Armlehne zu legen und sich eben nicht anzulehnen: Häkeldeckchen auf Leder, sehr gute Hafteigenschaften...

Und in einem dieser afrikanischen Wohnzimmer habe ich meinen senegalesischen Namen bekommen: Maimuna, oder kurz Munas. Mère Diop, eine alte weise Frau, befand Kerstin für unaussprechbar. Christine - wohlbekannt aus dem französischen - war immer noch zu europäisch. Daher bekam ich kurzerhand ihren eigenen Vornamen. Sehr passend übrigens, hatte doch drei Tage zuvor Maimuna, Fatous siebenmonatige Tochter, schon ihre Spuren an mir hinterlassen. Eine immer noch sichtbare kleine Narbe knapp unter dem linken Auge. Aus Aberglaube werden kleinen Kindern nur selten die Fingernägel geschnitten, jedoch war mein weißes Gesicht zu
exotisch um unbetastet zu bleiben.

Zweimal Maimuna :)

Frühstück in Rufisque - Rührei, Baguette und Instantkaffee

Sidis Eltern - Papa sitzt und Mama steht

Unser Lieblingsplatz auf dem Hof im Schatten eines Baumes. Das Tolle, man muss nicht warten, bis alle fertig sind mit Essen, sondern kann sich gleich hinlegen :)